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Anläßlich der 22. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 1844
in Bremen wurde am Sonntag, dem 22. September, eine gemeinsame Ausflugsfahrt mit drei
Raddampfern auf der Weser nach Bremerhaven unternommen. ,,Nicht lange nach Mittag wurde
von suchenden Fernrohren am blauen Horizont der Mastenwald von Bremerhaven bemerkbar.
Näher und immer näher kam man dem ersehnten Ziele, und endlich war es erreicht
und Bremerhaven mit seiner Flotte, seinem ,,Fort Wilhelm" und seinen zahlreichen, den
meisten noch neuen Gegenständen, lag vor den Augen der aus etwa 700 Personen
bestehenden heiteren Gesellschaft. Unter Musik, Kanonendonner und dem bewillkommenden
Freudengeschrei der ganzen Bewohnerschaft des Hafenstädtchens stiegen die Gäste
an Land. Festlich geschmückte Matrosen bildeten ein Spalier und lehnten ihre hoch
empor gehobenen Ruder zu einer Ehrenpforte aneinander, durch welche die Anlandenden
hindurchschreiten mußten. Anschließend hielt man, von Musik und Matrosen
begleitet, einen Umzug durch den ganzen Hafenort, verschiedene große, in festlichem
Fahnenschmuck prangende Seeschiffe wurden bestiegen und vorzugsweise den Dreien, welche
die Namen von drei großen Astronomen trugen:
,,Kepler", ,,Copernicus" und ,,Olbers", aus natürlicher Vorliebe eine besondere
Beachtung gewidmet."
Dieser Bericht der ,,Illustrierten Zeitung" vom 7. Dezember 1844 gab mir den ersten
Hinweis auf die besondere Ehrung, die Wilhelm Olbers mit der Namensgebung für ein
Seeschiff der Bremer Handelsflotte widerfahren war. Nach Anfragen beim Deutschen
Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven kam schließlich der Hinweis auf die im Staatsarchiv
Bremen verwahrten alten Unterlagen. Die anschließende Einsichtnahme, die mit
größter Bereitwilligkeit gewährt wurde, erbrachte Angaben über
fünf Schiffe, die den Namen ,,Olbers" in alle Welt getragen haben, darunter auch das
im obigen Bericht erwähnte Segelschiff.
Das erste Schiff dieses Namens führte ihn noch nicht von der Taufe an. Erbaut wurde
es in Archangelsk, an der Mündung der nördlichen Dwina in das Weiße Meer.
Bis zur Gründung von St. Petersburg war dieses der einzige Hafen Rußlands, 190
Tage im Jahr vereist. Es war die Fregatte ,,Alexander Petion", zweideckig mit
959-45/94 französischen Tonnen Laderaum. Im hanseatischen Schiffahrtsregister ist es
mit 480 Lasten Tragfähigkeit verzeichnet, welches 320 der später
gebräuchlichen Commerzlasten entspricht. Mit 36 Mann Besatzung und, wie der vom
bremischen Konsul erstellte Seepaß aussagte, ,,6 eisernen Kanonen, einigen Gewehren,
Pulver und Blei, unter Gewährung freier Schiffahrt und erbetener allseitiger
Unterstützung, die von Bremen entsprechend erwidert werden würde", wurde die
alte Fregatte am 19. November 1829 nach Bremen unter Kapitän Arnold Philipp Gaetjen
überführt. Die anschließende Taufe auf den Namen ,,Olbers" erfolgte
sicherlich schon im Hinblick auf das wenige Monate später 1830 stattfindende goldene
Doktorjubiläum. Außer daß es später von Capitain Johann Michael
Herklotz geführt wurde, liegen Angaben über das weitere Schicksal dieses
Schiffes nicht vor.
Das zweite Schiff mit dem Namen des berühmten Astronomen entstammte der Werft des
Schiffbaumeisters Johann Lange in Vegesack und war am 1. Oktober 1838 vom Stapel gelaufen.
Das neuerbaute Seeschiff mit drei Masten und zwei Decks erhielt den Namen Olbers bei der
Taufe und wurde am 13. Oktober 1838 übergeben. Es war 114 bremische Fuß und 3
Zoll lang, 30 Fuß und 9 Zoll breit und wies vom Kiel bis zum obersten Deck eine
Höhe von 19 Fuß und 6 Zoll auf. Nach heutigem Maß sind das rund 36 Meter
an Länge. Zusammen mit der ,,Copernicus" lag es 1844 beim Besuch der Naturforscher in
Bremerhaven. Zur Beförderung von 190 Commerzlasten Ladung sollte die ,,Olbers"
wiederum vom Altermann Dehus eingesetzt werden, vermutlich aber auch als
Auswandererschiff.
Das dritte Schiff unter dem Namen ,,Olbers" wurde als mittleres Seeschiff vom
Schiffbaumeister Friedrich Wilhelm Wencke auf seiner Werft in Bremerhaven erbaut.
Stapellauf und Taufe waren am 4. März 1851.
Diese ,,Olbers" war 149 Fuß lang = 47 Meter und 53 Fuß, 3 Zoll breit mit
Masten und hatte ebenfalls zwei Decks. Sie war vermessen für ,,500 Rocken-Lasten".
Man darf annehmen, daß wegen der damaligen großen Auswandererwelle das Schiff
überwiegend zur Passagierbeförderung in die Vereinigten Staaten eingesetzt
wurde. Auch über dieses Schiff liegen keine weiteren Angaben über den Verbleib
vor.
Das vierte Schiff unter den Namen ,,Olbers" war eine Dreimast-Bark, sie wurde auf der
Werft von I.C. Tecklenborg in Bremerhaven erbaut.
Das Schiff war 151,5 bremische Fuß 48,07 Meter lang, 30,4 Fuß breit und zur
Beförderung von 399,8 Commerzlasten gebaut. Es war aus Eichenholz und verfügte
nur über ein Deck. Die Übergabe an den Reeder erfolgte am 26. Mai 1863.
Obgleich ständig in Bremen beheimatet, führte die ,,Olbers" in ihrer
24jährigen Dienstzeit drei verschiedene Nationalflaggen: bis zum 31.12.1868 die
Speckflagge der Freien Hansestadt Bremen, von 1869 bis zum Dezember 1870 die Flagge des
Norddeutschen Bundes und ab 1871 die des Deutschen Reiches.
Unter der Flagge Norwegens und unter anderem Namen fuhr das nach 24jährigem Dienst
immer noch stattliche Segelschiff ab 3. Mai 1887, als es für 20 000 Mark an den
norwegischen Reeder Johann Frederic Pedersen in Christiana verkauft wurde.
Das fünfte Schiff mit dem Namen ,,Olbers" war erstmals ein Dampfschiff und ganz aus
Eisen hergestellt. Es wurde bei Blohm und Voss in Hamburg erbaut und am 19. Juli 1880 der
Bremer ,,Dampfschiffahrtsgesellschaft Neptun" übergeben. Der Kaufpreis ab Werft
betrug 160 000 Mark, die Länge 51,4 Meter. Bei einer Breite von 7,5 Metern war es
4,31 Meter tief, erstmals in Bremen nach dem Dezimalsystem vermessen. Eine Schraube, zwei
Masten und kein Oberdeck waren die Konstruktionsmerkmale dieses Gaffelschoners. Es
handelte sich also eigentlich um ein zweimastiges Segelschiff, ausgerüstet mit einer
Dampfmaschine und mit Schornstein. Es führte je ein großes vorderes und hinteres
Gaffelsegel. Mit der vollen Ladung, die sie mit 528,47 Bruttoregistertonnen aufnehmen
konnte, ging die ,,Olbers" am 27. April 1882 in der Nordsee unter.
Dieter Gerdes, Lilienthal
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