Zurück Olbers-Planetarium Olbers-Biographie
von Dieter Gerdes

Olbers Jugend

Rund 230 Jahre ist es inzwischen her, daß Heinrich Wilhelm Matthias Olbers am 11. Oktober 1758 im zu der Zeit zum Kurfürstentum Hannover gehörigen Arbergen bei Bremen geboren wurde. Er war das 8. von 16 Kindern des dort lebenden Pastoren Johann Georg Olbers. Nach der Berufung seines Vaters als Pastor am Bremer Dom im Jahr 1760 kam der zukünftige Astronom schon sehr früh in die Freie Reichsstadt Bremen. Alle Eindrücke, die seine spätere Laufbahn und sein Leben bestimmten, hat Wilhelm Olbers demnach in Bremen, der Stadt, welcher er von nun an zugehörte, empfangen. Den ersten lateinischen Unterricht erhielt er von seinem Vater. Vom 6. Lebensjahr an besuchte er das Pädagogium und das Athenäum, das ist das lutherische Gymnasium, bevor er im Jahre 1771 auf das Gymnasium Illustre, das spätere Alte Gymnasium überwechselte. Unterrichtsfächer waren zur der Zeit:
Grammatik, Philologie, Philosophie - alle naturwissenschaftlichen Fächer beinhaltend - und Theologie. Sechs Jahre blieb Wilhelm Olbers dieser Schule verbunden, bevor er Bremen im Jahre 1777 verließ und in Göttingen das Studium der Medizin aufnahm.

Der Komet von 1769

Schon in Bremen war sein großes Interesse für die Astronomie wachgeworden, ganz besonders verstärkt noch durch die einzigartige Himmelserscheinung des großen Kometen im Jahre 1769, welcher den damals l0jährigen Schüler besonders beeindruckte und den Verlauf seines weiteren Lebens bestimmen sollte. So war es denn auch nicht verwunderlich, daß der zusätzliche Besuch der Vorlesungen, die Kästner und vor allem Georg Christoph Lichtenberg dort über die Gesetze der Stembewegungen am Himmel hielten, nicht ohne Einfluß auf seine späteren astronomischen Forschungen blieben. Die erste Berechnung einer Kometenbahn nahm der junge angehende Arzt am Fenster eines Krankenzimmers vor, als er im Januar 1779 während der Behandlung eines Patienten zugleich die Erscheinung eines Kometen beobachtete. Die Studienzeit in Göttingen endete 1780 mit der Veröffentlichung seiner medizinischen Dissertation ,,De oculi mutationibus internis" und der Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin. Gleich zu Anfang des Jahres 1781 eröffnete Wilhelm Olbers in der Sandstraße 3 am Bremer Dom eine allgemeinmedizinische Praxis und erlangte auch bald unter seinen Patienten eine große Beliebtheit. Neben der hannoverschen Staatsangehörigkeit, die Wilhelm Olbers von Geburt an besaß, nahm er schon 1781 auch die bremische an. Am 15. Juli 1785 schloß Wilhelm Olbers die Ehe mit seiner ersten Frau Dorothea Elisabeth Köhne, welche jedoch schon ein Jahr nach der Geburt der einzigen Tochter Doris verstarb. Der zweiten Ehe mit Anna Adelheit, geb. Lürssen, entstammt sein einziger Sohn George Heinrich Olbers (1790 bis 1861), der spätere Bremer Senator. Jede Minute seiner geringen Freizeit, die Wilhelm Olbers als tätigem Arzt naturgemäß nur des Nachts zur Verfügung stand und die dazu führte, daß er in seinem Leben ständig mit nur etwa vier Stunden Schlaf auskam, wurde in den Jahren bis 1799 den Untersuchungen und Bahnberechnungen aller bekannten großen Kometen, über die Aufzeichnungen seit 1531 vorlagen, gewidmet.
Noch 1791 sagte er über sich selbst: ,,Cometen-Astronomie ist immer mein Lieblingsfach gewesen; sollte es meine Zeit erlauben, meine Papiere darüber in Ordnung zu bringen, so würde ich vielleicht bald einige nicht unerhebliche Beiträge zu dieser Wissenschaft liefern können." Und so sind auch in der Tat diese wichtigen, größtenteils noch unveröffentlichten Forschungsergebnisse in seinem Nachlaß noch vorhanden. Olbers hatte die notwendige Zeit dazu nicht mehr gefunden. Aber die Frucht dieser intensiven Bemühungen im Dienste der Wissenschaft war im Jahre 1797 die Herausgabe seiner wohl wichtigsten Schrift: ,,Abhandlung über die leichteste und bequemste Methode, die Bahn eines Cometen zu berechnen". Die von ihm entwickelte Berechnungsmethode ist auch heute noch anwendbar und beliebt und führte noch in den Jahren 1847 und 1864 zur Herausgabe einer zweiten und dritten Auflage.
Ab 1800 wurde dagegen mit seiner Beteiligung an der Erforschung der Planeten unseres Sonnensystems, insbesondere unter dem Einfluß des Lilienthaler Astronomen Johann Hieronymus Schroeter, ein erheblich erweiterter astronomischer Aufgabenbereich übernommen.

Die Gründung der Astronomischen Gesellschaft

Zu diesem Entschluß hatte wesentlich die Gründung der ,,Astronomischen Gesellschaft" am 20. September 1800 in Lilienthal beigetragen, deren erster Beamter Wilhelm Olbers wurde.
Diese erste astronomische Vereinigung der Welt wurde zusammen mit J. H. Schroeter, Franz Xaver von Zach, Ferdinand Adolf von Ende, Johann Gildemeister und Karl Ludwig Harding während eines gemeinsamen Treffens auf der seinerzeit größten Stemwarte des europäischen Kontinents, bei Johann Hieronymus Schroeter in Lilienthal, ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe sollte insbesondere in der Auffindung eines vermuteten, jedoch noch unentdeckten Hauptplaneten unseres Sonnensystems, auf einer Bahn zwischen Mars und Jupiter, liegen. Aber auch Neuentdeckungen außerhalb des damals am weitesten von der Sonne entfernten Planeten Uranus hielt man für nicht ausgeschlossen. Zu diesem Zweck wurden von der Versammlung noch 18 weitere führende Astronomen in Europa zu Mitgliedern berufen und diesen insgesamt 24 Forschern die Aufgabe einer intensiven Durchmusterung der Sterne der zwölf Tierkreiszeichen (je Sternbild zwei Astronomen!) übertragen. Nachdem am 1. Januar 1801, dem ersten Tag des neuen 19. Jahrhunderts, durch das Mitglied Guiseppe Piazzi, Direktor der Königlichen Stemwarte in Palermo, ein erster neuer Planet, die Ceres, aufgefunden wurde, welcher jedoch schon nach wenigen Tagen auf seiner Himmelsbahn dem Beobachter wieder verloren ging, war die neue Gesellschaft, insbesondere durch Wilhelm Olbers, welcher Tag und Nacht nach einer von ihm berechneten Methode den Himmel absuchte, schon bald ungewöhnlich erfolgreich.

Die Entdeckung des Planetoiden Ceres

Der große Mathematiker Karl Friedrich Gauß, ein Freund Olbers und ständiger Gast in Bremen und Lilienthal, hatte seine ungewöhnlichen mathematischen Fähigkeiten voll in den Dienst der Societät gestellt. Seine von ihm neu entwickelte Methode der Bahnberechnung von Planeten ermöglichte es Wilhelm Olbers genau ein Jahr später, am 1. Januar 1802, die Ceres am Himmel wieder aufzufinden und ihre Bahn danach endgültig zu bestimmen.
Schon wenige Wochen später, am 28. März 1802, war Wilhelm Olbers abermals erfolgreich in der Auffindung des Planeten Pallas, dem am 29. März 1807 noch einmal ein weiterer neuer Planet, die Vesta, folgte. Zwischendurch hatte Karl Ludwig Harding in Lilienthal auf der Sternwarte Schroeters am 1. September 1804 ebenfalls einen neuen Planeten, die Juno, entdeckt. Diese vier am Himmel neu aufgefundenen Himmelskörper, davon zwei durch Olbers - ein in der Geschichte der Astronomie einmaliger Fall -, blieben bis 1845 die einzigen Neuentdeckungen in unserem Sonnensystem. Das Thema des einzigartig schönen Siegels der Lilienthaler Gesellschaft ,,Nicht umsonst beobachten wir die Untergänge der Tierkreiszeichen und ihre Aufgänge" war Wirklichkeit geworden. Die Astronomische Gesellschaft, deren Präsident Wilhelm Olbers bis zum Jahre 1840 war, wurde nach seinem Tode am 13. November 1844 durch Gustav Adolf Jahn in Leipzig wiederbegründet und besteht - mit Vereinssitz in Hamburg - noch heute.

Eine glückliche Wendung im Leben des nun schon überall bekannten Astronomen, dessen aufrichtiger Rat und logisches Denken unter allen Fachkollegen geschätzt wurde, brachte das Frühjahr 1803.
Nach intensiven Verhandlungen mit der königlichen Regierung in Hannover und dem Bremer Senat gelang es seinem Bruder, Johann Caspar Theodor Olbers (1752-1815), letzter Amtmann der Hannoverschen Intendantur in Bremen, das gesamte Domgebiet im Zentrum der Hansestadt, welches mit etwa 1000 Bewohnern nicht zu Bremen gehörte, als neues Hoheitsgebiet zu erlangen. Eine Landfläche im Norden der Stadt wurde dafür im Tausch abgetreten. Wilhelm Olbers, mit seiner Wohnung in der Sandstraße in diesem Gebiete, war somit von diesem Zeitpunkt ab Bremer geworden.

Eine Möglichkeit für ihn, zum Wohle seiner Heimatstadt auch politisch tätig zu werden, brachte das Jahr 1810. Nach der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Eingliederung von ganz Norddeutschland in das Kaiserreich Frankreich ernannte Napoleon 1. Wilhelm Olbers am 4. April 1811 zum Mitglied des ,,Corps Legislativ", der gesetzgebenden Versammlung in Paris, um das Departement der Wesermündungen mit der Hauptstadt Bremen unter Bürgermeister Wichelhausen in der französischen Metropole zu vertreten.

Olbers in Paris

Noch im gleichen Jahr erlangte Olbers eine weitere, ebenfalls ehrenvolle Berufung nach Paris, um als Vertreter Bremens an der Taufe des Königs von Rom, Napoleons Sohn, teilzunehmen. Zwei weitere Reisen als Abgeordneter folgten in den Jahren 1812 und 1813. Für eine vierte Reise im November 1813 nach Paris zur Eröffnung der neuen Legislaturperiode lag die Einladung schon vor. Die politischen Machtverschiebungen in Europa verhinderten jedoch die Teilnahme.
Diese Zeit war für den Bremer Arzt und Astronomen, der die persönliche Bekanntschaft des Kaisers Napoleon machen konnte, wohl eine der glanzvollsten in seinem Leben. Eine große Zahl persönlicher Briefe an seine Frau und seinen Sohn Georg, die erhalten sind, legt hiervon Zeugnis ab.

1814 nahm Olbers seine astronomischen Forschungen wieder auf, die 1815 zur Entdeckung des nach ihm benannten Kometen führte. Insgesamt fand er jedoch sechs dieser Wanderer im Sonnensystem als erster auf.

Nach dem Tode seiner Tochter Doris Focke im Jahre 1818 und dem Ableben seiner zweiten Frau im Jahre 1820 - diese Schicksalsschläge trafen ihn schwer - zog sich Olbers ganz aus seinem Beruf als Arzt zurück.

Olbers hatte sich immer ganz besonders jungen Talenten der Astronomie als Förderer zugewandt. Seine größte Entdeckung war es aber ohne Zweifel, die ungewöhnlichen Fähigkeiten von Friedrich Wilhelm Bessel auf mathematischem und astronomischem Gebiet erkannt zu haben, doch waren ihm neben anderen auch Schroeter, Harding und Gauß die Förderung wert.

Der erhaltene umfangreiche Schriftwechsel mit diesen Astronomen, der auch veröffentlicht vorliegt, seine Beiträge in allen wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Jahrbüchern, brachten ihm hohe Ehrungen ein. Nahezu alle wichtigen internationalen wissenschaftlichen Vereinigungen ernannten Olbers zu ihrem Mitglied. Deutsche und europäische Regierungen überschütteten ihn mit Ehrungen.

Höhepunkt seiner Laufbahn im späteren Leben waren jedoch die Feiern anläßlich seines goldenen Doktorjubiläums am 28. Dezember 1830.
Nachdem schon 1825 Friedrich der VI., König von Dänemark, ihn zum Ritter des Königlichen Dannebrogue Ordens durch Uberreichung dieser hohen Auszeichnung ernannt hatte, verlieh ihm zur 50-Jahr-Feier der Englisch-Hannoversche König Wilhelm IV. das Ritterkreuz des Guelphen-Ordens, und Friedrich Wilhelm III. von Preußen ehrte ihn mit dem Ritterkreuz des Roten-Adler-Ordens. Der Bremer Senat beschloß die Anfertigung einer Büste des Astronomen und ihre Aufstellung im Rathaus.

Als Besonderheit sollte hierbei erwähnt werden, daß Olbers die Annahme der Ordens-Verleihungen durch einen Sonderbeschluß des Senats der Hansestadt ausdrücklich zugestanden wurde.

Olbers Tod

Im hohen Alter von 82 Jahren starb Wilhelm Olbers am 2. März 1840 in Bremen nach einer schweren Erkrankung, geistig jedoch in voller Aktivität. Ein Denkmal in den Bremer Wallanlagen kündet von seinem Wirken. Es wurde im Jahre 1850 vom Olbers-Verein, der eigens zu diesem Zweck gegründet worden war, aus dem Spendenaufkommen der Bremer Bürger errichtet.
Nahezu alle bis heute veröffentlichten astronomischen Fachbücher berichten vom Einsatz und der Schaffenskraft des Astronomen Olbers.
Sein umfangreicher wissenschaftlicher Nachlaß ist erhalten und wird im Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek der Universität Bremen, die zufolge vieler eingereichter Vorschläge eigentlich den Namen ,,Wilhelm-Olbers-Universität" führen sollte, aufbewahrt. Doch auch das Alte Gymnasium ist von den Nachkommen der Familien Olbers und Focke in großzügiger Weise bedacht worden:
Im Jahre 1908 wurde der Stemwarte dieser Schule das große Fernrohr Wilhelm Olbers, der fünffüßige Dollond, übergeben, das bei allen wichtigen Entdeckungen am Himmel von ihm eingesetzt worden war.
Leider erlitt das unersetzliche Instrument durch die Wirren und Zerstörungen des 2. Weltkrieges schwere Schäden. Das Focke-Museum nahm es daraufhin in seine Obhut, wo es heute noch für interessierte Besucher vom Wirken Wilhelm Olbers kündet.

Dieter Gerdes, Lilienthal
erschienen Februar 1990 als Sonderdruck zur Ausstellung in der Sparkasse in Bremen.

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