Zurück Olbers-Planetarium Wie Olbers
zur Astronomie kam

von Dieter Gerdes

,,Cometen-Astronomie ist immer mein Lieblingsfach gewesen" ist eines der Zitate, die Olbers Hingabe zu diesem Spezialgebiet der Astronomie kennzeichnen. Das gilt insbesondere für seine Veröffentlichung aus dem Jahre 1797: ,,Über die leichteste und bequemste Methode, die Bahn eines Cometen zu berechnen", welche seinen Ruf international begründete und von der Art der Berechnung her auch heute noch angewendet werden kann. Nicht zuletzt deshalb trägt ja auch einer der Kometen, die in einer langgestreckten Bahn zwischen dem Planeten Neptun und der Sonne viele Jahre für einen Umlauf benötigen, in einem Zeitraum von 73 3/4 Jahren für einen Menschen also nur einmal im Leben zu sehen sind, als der ,,Olberssche Komet" seinen Namen.

Die Kometenmedallie, Vorderseite
Die Kometenmedallie, Rückseite

Im Nachlaß von Wilhelm Olbers, der sich heute im Besitz von Mitgliedern der Familie befindet, fällt eine Kometenmedaille auf, die, mit einem Loch versehen, als Amulett am Körper getragen werden kann. Sie wurde im Jahre 1681 geprägt und zeigt zwischen mehreren Sternbildern einen ungewöhnlich großen Kometenschweif und die Jahreszahlen 1680/81. Die Rückseite enthält folgenden Spruch:

DER STERN
DROHT BOESE SACHEN -
TRAV NVR!
GOTT VVIRDS VVOHL MACHEN.

Wobei in der zweiten Hälfte der Aussage auffallend ist, daß bei der verwendeten Großschreibung einige Buchstaben noch größer wiedergegeben sind. Ich erfuhr zunächst, daß hierin ein Geheimnis verborgen läge, das Wissen darum aber verlorengegangen sei. Bei der bekannten Unsicherheit in der Wiedergabe der Buchstaben U, V und W (bis etwa 1700 wurde für das U und das W immer nur ein V gebraucht), dachte auch ich zunächst an eine unregelmäßige Wiedergabe der Prägung. Nach einiger Überlegung kam ich jedoch darauf, die besonders groß geprägten Buchstaben als lateinische Zahlen aufzufassen und hatte damit die Lösung gefunden.

In der Reihenfolge der Wiedergabe sind folgende römische Ziffern zu sehen:

V V V V I D V V L M C =

5+5+5+5+1+500+5+5+50+1000+100,

welche addiert die Zahl 1681 ergeben, die Jahreszahl der Prägung der Kometenmedaille, die sonst auf der Münze nicht abschließend vermerkt ist! Das verlorengegangene Geheimnis war also wiedergefunden und der Gebrauch einer Verschlüsselung eines Ausspruches in dieser Form, wie ich anschließend hörte, ist gar nicht einmal so selten gewesen. Die Sichtbarkeit: Ao. 1680. 16. Dec. bis 1681. Jan.

Ob Wilhelm Olbers das Amulett tatsächlich selbst getragen hat, kann nur vermutet werden, ist aber bei seiner bekannten Abneigung gegen alles, was mit der Astrologie im Zusammenhang steht, nicht sehr wahrscheinlich. Olbers wurde im Jahre 1758 in Arbergen bei Bremen geboren und von seinem Vater, der einer alten Pastorenfamilie entstammt, schon 1760 im Alter von knapp zwei Jahren mit nach Bremen genommen, als dieser in kirchliche Dienste an den Bremer Dom berufen wurde. Die Frage, ob ein Kometenerlebnis in früher Jugend seinen späteren Lebenslauf geprägt hat, können womöglich die nachfolgenden Informationen beantworten:

Der große Komet des Jahres 1680, auf den sich die Kometenmünze bezieht, war eine ganz ungewöhnliche Erscheinung am Himmel, da er bei seinem Weg um die Sonne der Erde sehr nahe kam. Berichte sprechen von einer Schweiflänge von mehr als 100 Grad, was bedeutet, daß er über mehr als die halbe Fläche des Himmels von Dezember bis Januar sichtbar war. Entdeckt wurde er zuerst von Gottfried Kirch am 14. November 1680 in Coburg. Die Angst, daß Kometen als göttliche Vorboten für ein Strafgericht anzusehen seien, war noch sehr verbreitet, und einige scharfe Rechner wollten nachweisen, daß dieser Komet schon zur Zeit der Sintflut am Himmel gestanden hätte. So war die Prägung der oben genannten Münze, die ja vom Vertrauen auf Gott spricht, durchaus zu erklären, zumal sie nicht die erste Medaille dieser Art gewesen ist.

Vom August des Jahres 1769 ab war in Europa wiederum einmal ein besonders großer Komet am Himmel zu sehen, der um den 4. September herum eine Schweiflänge von etwa 40 Grad besaß und ,,als eine prächtige Zierde des gestirnten Himmels" erschien. Zu diesem Zeitpunkt war Wilhelm Olbers im 11. Lebensjahr, einem Alter, in dem ungewöhnliche Erlebnisse sehr prägend auf das spätere Leben wirken. Auch Johann Elert Bode, später ein bekannter Astronom und langjähriger Herausgeber der bekannten Berliner Astronomischen Jahrbücher, hat diesen Kometen sehr genau in Hamburg beobachtet und anschließend darüber schon im Alter von 22 Jahren einen ausführlichen wissenschaftlichen Bericht mit einer exakten Bahnberechnung veröffentlicht: Johann Elert Bode, Philo-Math. Kurzgefaßte Abhandlung von dem im Herbst dieses 1769ten Jahr erschienenen Kometen, Hamburg 1769.

Zugleich gab in Steinkirchen Pastor Johann Heinrich Pratje, Sohn des bekannten hannoverschen Superintendenten der evangelischen Kirche, Johann Hinrich Pratje zu Bremen und Stade, eine interessante Schrift über die Erscheinung dieses Kometen heraus. Kurzgefaßte Beantwortung der Frage: Ob unser Erdboden von einem Kometen etwas zu befürchten habe? Altona 1770

Pratje widerlegte die immer noch weitverbreitete Kometenangst, die schon wieder aufgelebt war, darin mit brillanten wissenschaftlichen Argumenten und Zitaten aus der Bibel. Ein lesenswerter Bericht!

1772 starb Pastor Jürgen Olbers, und der junge Schüler Wilhelm wurde im Alter von 14 Jahren Besitzer des schon über mehrere Generationen vererbten Kometenamuletts.

Von 1777 bis 1779 studierte Olbers an der Göttinger Universität Medizin und legte im Jahre 1780 seine Doktorprüfung ab. Im Januar 1779 hatte Olbers in Göttingen, als er während des medizinischen Praktikums am Lager eines Kranken wachte, sein zweites Kometenerlebnis. Vom Fenster der Krankenstation aus beobachtete er den Kometen, erstellte exakte Positionsdaten und entwarf eine erste Konstruktion zur Bahnberechnung des Kometen.

Kästner berichtete in einem Schreiben an Bode in Berlin von den Erfolgen Olbers und vermerkte, daß unter so ungewöhnlichen Umständen wohl noch niemals eine Bahnberechnung durchgeführt worden wäre, die obendrein zu so exakten Ergebnissen führte, daß diese selbst mit denen der großen französischen Astronomen mithalten könnten.

Bis zum Jahre 1797, als seine schon vorher erwähnte Bahnberechnungsmethode veröffentlicht wurde, hatte Olbers praktisch alle Kometen auf mehrere Jahrhunderte zurück über welche exakte Beobachtungsdaten vorlagen, berechnet und Zeichnungen der Bahnen entworfen. Seine Bibliothek verfügte auch über die Abhandlung Bodes.

Im Jahre 1804 entdeckt Olbers Friedrich Wilhelm Bessel als junges mathematisches Talent, als dieser ihm während seiner Lehre als Kaufmannsgehilfe im Hause Kulenkamp & Co die Bahnberechnung des großen Kometen von 1607 vorlegte.

Olbers sparte nicht mit Lob, ist seit dieser Zeit der große Förderer Bessels geworden und hat ihn anschließend mit einer Assistentenstelle auf der Sternwarte Schroeters in Lilienthal ganz der Astronomie zugeführt.

Doch noch während der Bremer Zeit, am 10. Oktober 1805, forderte Olbers Bessel in einem Brief auf, doch unbedingt auch einmal die Bahn des Kometen von 1769, der seinerzeit so beeindruckend auf ihn gewirkt hatte, zu berechnen und die Ergebnisse an Bode in Berlin zu senden, der für gute Kometenbeobachtungen und Bahnberechnungen einen Geldpreis ausgesetzt hatte. Den Preis gewann Bessel mit einem anderen Astronomen zur Hälfte, ein beachtenswertes Erfolgserlebnis für den jungen Mathematiker. Von Bodes Arbeit wußte er nicht. Schließlich veröffentlichte Wilhelm Olbers in der Monatlichen Korrespondenz, Bd. XXII, die 1810 in Gotha herausgeben wurde, eine umfangreiche Abhandlung unter dem Titel:
Über die Gefahren, die unsere Erde von den Cometen leiden könnte.

Ausführlich berichtete er über alles, was über Kometen der vergangenen Jahrhunderte in Erfahrung zu bringen war, ja, er ging sogar auf das Aussterben der Saurier ein.

Ausschließen konnte auch Olbers den Zusammenstoß der Erde mit einem Kometen nicht, endete aber mit der Angabe: ,,Doch ich vergesse, daß ich keine geologische Abhandlung schreiben will und schreiben kann: Mir war es genug zu zeigen, daß der Mensch sich nur thörigter Weise vor den Cometen fürchten würde, da die davon gedrohten Gefahren theils nicht möglich sind, theils erst in Zeitperioden wahrscheinlich werden, zu denen die Dauer des menschlichen Lebens gar kein Verhältnis hat."

Merkwürdig ist nun, daß der beeindruckende Komet von 1769 niemals von Olbers selbst berechnet wurde und in allen seinen Werken auch an keiner Stelle erwähnt wird. Auch im wissenschaftlichen Nachlaß in der Handschriftenabteilung der Bremer Universität befindet sich kein Hinweis. Die Aufforderung an Bessel zur Berechnung erging völlig kommentarlos, und selbst als Bessel den Preis gewonnen hatte, erfolgte keinerlei Erwähnung der Daten im Briefwechsel. Er kannte jedoch seine Erscheinung genau.

Unter diesen ganzen Aspekten gewinnt die These über die Auswirkung eines prägenden Erlebnisses sehr an Wahrscheinlichkeit, ja, er muß geradezu eine Scheu gehabt haben.

Dieter Gerdes, Lilienthal

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