Zurück Olbers-Planetarium von Johann Hieronymus Schroeter und den Instrumenten seiner Sternwarte
von Dieter Gerdes

Schroeters Geburt

Am 30. August 1745 wurde in Erfurt Johann Hieronymus Schroeter geboren. Sein Vater unterhielt in der Neuen Straße an der Neuen Mühle eine kleine Anwaltspraxis. Nach seinem schon frühen Tode im Jahre 1754 hatte er seinen Kindern nicht viel zu hinterlassen gehabt. Dafür vererbte er aber Anlagen und Tugenden: Beharrlichkeit, Genauigkeit bei mechanischen Arbeiten. Dazu eine Vorliebe für die Musik.

Schroeters Studium

Der junge Schroeter begann nach Abschluß seiner Schulausbildung im Jahre 1762 das Studium der Theologie an der Universität der alten Lutherstadt Erfurt. Daß dieses Studium durchaus seinen Weltanschauungen entsprach, kommt in den späteren astronomischen Werken immer wieder zum Ausdruck, wenn er schreibt: "Unendlich groß, unendlich mannigfach sind die Werke der Allmacht, und ihrer recht achten ist wahrer Genuß des Lebens." So begann schon hier mit der Erforschung der Pracht des nächtlichen Sternenhimmels sich sein späterer Lebensweg anzuzeigen. An einem Fernrohr in der "Ampel", im Turm der Schottenkirche, wo ein behelfsmäßiges Observatorium eingerichtet worden war, fand er sich von Zeit zu Zeit mit einigen weiteren gleichgesinnten Freunden der Himmelskunde ein.

Die Fortsetzung seines Studiums, jetzt aber auf dem Gebiet der Jurisprudenz, die ihn am 17. März 1764 nach Göttingen führte, brachte ihn mit Abraham Gotthelf Kästner zusammen, welcher sich in liebenswürdiger Weise um den jungen Schroeter kümmerte und diesen durch seine physikalischen mathematischen, besonders aber astronomischen Vorträge fesselte.
1767 waren alle staatlichen Prüfungen bestanden, und nun begann eine 10-jährige praktische und juristische Tätigkeit, welche ihn 1777 als Sekretär der Königlichen Kammer nach Hannover führte. Sein Interesse an musikalischen Veranstaltungen führte zur Bekanntschaft mit der Musikanten- und Mechanikerfamilie des Haut-Boisten lsaak Herschel.

Ein Teleskop

Der zweite der Söhne dieses Mannes, Friedrich Wilhelm Herschel, war 1755 als junger Musiker nach England ausgewandert und hatte dort 1774 seine Neigung für astronomische Forschungen entdeckt. Davon berichteten auch seine in Deutschland verbliebenen Geschwister und auch von den interessanten Beobachtungen, welche Wilhelm Herschel mit von ihm selbst gefertigten optischen Instrumenten am Himmel vornahm. Schroeter war ein eifriger Zuhörer und alsbald entschlossen, ebenfalls seine alte Liebhaberei wieder aufzunehmen. Ein einfaches Fernrohr ließ sich wohl in der ersten Zeit bei einem Optiker entleihen. Es entstand aber bald der Wunsch, ein eigenes Instrument zu besitzen.
Durch Rat und Vermittlung von Dietrich Herschel wurden 1779 die Ersparnisse des Kammersekretärs darauf angewendet, ein wirklich brauchbares Telescop zu beschaffen: ein dreifüßiger Dolland mit 21/4-Zoll-Öffnung. Dieses achromatische, terrestrische Fernrohr verfügte über 91,5 cm Brennweite, 50 mm Linsendurchmesser und fünf auswechselbare Okulare mit 22-, 36-, 60-, 95- und 130-facher Vergrößerung.
So begann er nun die ersten, auch durchaus erfolgreichen Beobachtungen der Sonne, des Mondes und der Venus. Den entscheidenden Anstoß in seinem Leben, die geplanten Forschungen erheblich zu intensivieren, brachte im Jahre 1781 die Entdeckung des Planeten Uranus durch Wilhelm Herschel in England. Schroeter faßte den Entschluß, sich wirklich systematisch zum Astronomen auszubilden.

Amtmann in Lilienthal

Die Annahme einer Stelle als Oberamtmann im kleinen weltabgeschiedenen Moordorf Lilienthal bei Bremen erfolgte noch im gleichen Jahr, und am 2. Mai 1782 trat er seinen Dienst im dortigen Amtshaus an. Es war leicht vorauszusehen, daß ihm die Führung der Geschäfte des 1719 hannoversch gewordenen ehemaligen Klosteramtes Zeit genug lassen würde, sich den geplanten astronomischen Aufgaben zu widmen.
Eine erste einfache Beobachtungsstätte im Amtsgarten war schnell errichtet, doch damit kam auch der Wunsch nach einem leistungsfähigeren, aber insbesondere helleren Beobachtungsinstrument. Seine guten Beziehungen zur Familie Herschel bewährten sich jetzt. Am 15.7.1784 war ein, mit den aus England von W. Herschel erhaltenen Teilen, selbstgebautes Spiegeltelescop fertiggestellt. Für die notwendigen Spiegel und Okulare hatte er 31 Reichsthaler, das sind umgerechnet auf unsere heutige Währung 1245,- DM bezahlt. Dieser "Herschel" hatte eine Brennweite von 4 Fuß = 122 cm und 4 3/4 Zoll = 12 cm Öffnung. 8 Okulare lieferten Vergrößerungswerte von 60-, 70-, 96-, 134-, 174-, 214-, 280- und 339-fach.
Da die Mond- und Venusbeobachtungen jetzt erheblich besser bewerkstelligt werden konnten, blieb der Erfolg auch nicht aus. Schroeter machte sich durch die Veröffentlichung von Beiträgen in astronomischen Fachzeitschriften schnell einen guten Namen. Trotz aller Anerkennungen war er selbst jedoch mit seinen bisherigen Leistungen nicht zufrieden. Sollte in Lilienthal Größeres vollbracht werden, mußte er vor allem seine bisherigen Werkzeuge verbessern.

Neue Instrumente

So leitete er für den Neukauf eines größeren Spiegeltelescopes einen neuen intensiven, auch fachlichen Schriftwechsel mit Wilhelm Herschel in England ein und erhielt am 26. April 1786 die optischen Teile zur eigenen Konstruktion eines siebenfüßigen Instrumentes. Nach Fertigstellung des genau nach den erhaltenen Anleitungen gebauten Gerätes konnte Schroeter stolz in sein Tagebuch einschreiben: erstmals in Deutschland verfügte eine Sternwarte über ein Spiegeltelescop von 7 Fuß = 214 cm Brennweite und einer freien Öffnung von 6 1/2 Zoll = 16,51 cm. Die dazu gehörenden 10 Okulare lieferten Abbildungen mit 74-, 95-, 121-, 161-, 210-, 270-, 370-, 530-, 636- und 1200-facher Vergrößerung. Der gezahlte Preis nur für die optischen Teile war allerdings auch sehr hoch gewesen. 600 Reichsthaler, umgerechnet 24 100,- DM, hatte Schroeter an Herschel in England anweisen lassen. Bei seinem Jahresgehalt als Oberamtmann von 1400 Reichsthalern, entsprechend 56200,- DM machten die gesamten Aufwendungen ungefähr den Verdienst von 6 Monaten aus.
Die Kosten eines Lambertschen Sternenausmessers mit zwei Schrauben-Mikrometern in Höhe von 26 Thalern = 965,- DM, bezogen vom Mechaniker Drechsler in Hannover, fielen bei diesem Betrag kaum noch ins Gewicht.
Hinter dem Amtshaus errichtete Schroeter nun ein neues, zweistöckiges Observatorium. Die jährlich neu entworfenen Arbeitspläne sahen Untersuchungen der Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn vor, die Erstellung einer exakten topographischen Mondkarte mit einem Durchmesser von 1,20 Metern, Sonnenbeobachtungen und die Beschäftigung mit Doppelsternen, Nebeln und den von ihm erstmals im Orion-Nebel aufgefundenen veränderlichen Sternen.

Selenotopographischen Fragmente

Nach intensiver Arbeit und ungezählten Beobachtungen war am 5. April 1791 der erste Teil seines großen, 680 Seiten umfassenden Mondwerkes, der "Selenotopographischen Fragmente", mit noch zusätzlichen 43 Kupfertiefdrucktafeln, fertiggestellt. Auf Kosten des Verfassers erfolgte die Herausgabe in Göttingen. Er hatte seinen Zeichnungen eine Mondkarte von Tobias Meyer zugrunde gelegt, welche erstmals für den Begleiter der Erde eine Einteilung in Längen- und Breitengrade enthielt. Herrn Hofrath Lichtenberg in Göttingen, der den Nachlaß von Tobias Meyer herausgegeben hatte, beglückte er mit einer in Lilienthal exakt gestochenen neuen Ausführung der alten Karte.
Als ein besonders glücklicher Umstand im Leben Schroeters erwies sich der Besuch des am 1. August 1792 aus Kiel in Lilienthal eintreffenden Prof. Johann Gottlieb Friedrich Schrader.
Dieser entwickelte zusammen mit Schroeter und dessen Gärtner Harm Gefken eine Methode, wie man in Lilienthal, gegenüber den Herschelschen Fertigungen aus England, gleich gute, aber nur halb so teure metallene Telescopspiegel selbst herstellen konnte. Die dazu verwendete neuartige Metallmischung bestand nicht mehr nur aus Kupfer und Zinn, sondern es wurde zur Erhöhung der Reflexion der weißglänzenden Oberfläche noch zusätzlich eine Schicht aus Arsen aufgedampft. Die langsame Abkühlung des sehr spröden Materials mußte besonders sorgfältig beachtet werden.
Die bestgelungenen Stücke, ein Telescop von 7 Fuß und 6 1/2 Zoll Öffnung, dem Herschelschen absolut gleich und von Schroeter in seinen Texten mit 7 f S. bezeichnet, sowie ein ganz neues 13-füßiges = 396,3 cm Brennweite bei einem Spiegel von 9 1/2 Zoll = 24,13 cm Durchmesser behielt Schroeter als die sogenannten "Schrader" für seine Sternwarte selbst.
Das neue 13-füßige Telescop verfügte über eine ganz ungewöhnlich hohe Bildschärfe und Helligkeit und galt noch für viele Jahre danach als das beste Lilienthaler Beobachtungswerkzeug.
Es wurde überwiegend für die Beobachtung der Planeten eingesetzt, war aber auch häufig entscheidend, wenn es um die Identifizierung kleiner Einzelheiten auf der Oberfläche des Mondes ging. Überwiegend wurden folgende Vergrößerungswerte angewendet: 76-, 136-, 188-, 288-, 377- und 515-fach. Die hohe Bildleistung ließ aber auch den Gebrauch weit stärkerer Okulare zu. Schroeter entwickelte für alle Instrumente, auch für die noch später beschafften, weitere zusätzliche Verbesserungen. Die Spiegel der Telescope erhielten eine Vorrichtung, welche es erlaubte, die freie Öffnung in Stufen bis auf einen Wert von 3 Zoll herunter zu verkleinern. Dieses erbrachte eine völlige Beseitigung der sogenannten "Irradiation", eine Überstrahlung, welche sonst bei der Bestimmung von Planetendurchmessern Korrekturen in den Rechnungen notwendig machte. Heutige moderne Telescope mit Doppelspiegelreflexion lassen diese Abblendung nicht mehr zu.
Weiterhin erhielten alle Okulare und Projektionsvorrichtungen in ihren Fassungen einen einheitlichen Durchmesser. Damit konnte zur Kontrolle von Beobachtungsergebnissen das jeweils verwendete Okular wechselseitig an mehreren Instrumenten benutzt werden. Zusätzlich wurde dadurch die Möglichkeit der Anwendung einer Vielzahl weiterer Vergrößerungsmaßstäbe geschaffen.
So lieferte z.B. ein Okular mit einer Brennweite von ca. 1/3 Zoll = 9 mm bei einem Telescop von 4 Fuß Focallänge einen 134-fachen Vergrößerungswert, bei einem 7-Füßer einen 237-fachen, bei einem 10-Füßer einen 338-fachen, bei einem 13-Füßer einen 440-fachen, bei einem 20-Füßer einen 677-fachen und bei einem 27füßigen Instrument einen 914-fachen.
Zur Erlangung eines größeren Beobachtungsfeldes fertigte der Mechaniker Drechsler in Hannover zur Verwendung an den beiden 7-Füßern ein Weitwinkel-Spezialokular mit 42-facher Vergrößerung an, welches laut Angabe im großen Mondwerk "eine so außerordentliche Schärfe und Plastik entwickelte, daß dadurch bei der Betrachtung des Mondes dieser mit der äußersten Deutlichkeit als eine in der Luft schwebende runde Kugel erscheint". Der Optiker Höschel in Augsburg lieferte nach einem ihm von Schroeter zugesandten Modell ein neuartiges Glasmikrometer, welches das Bildfeld der Telescope in 126 Parallellinien mit abwechselnder unterschiedlicher Höhe aufteilte. Je nach verwendetem Vergrößerungsmaßstab grenzte dieses so ein Bildfeld ab zwischen 4 und 26 Bogensekunden. Stolz vermerkte Schroeter: "Die Linien sind so außerordentlich gleich aufgeteilt, daß sich nicht eine einzige ausgesprungen darunter findet. Dieses gebührt Herrn Höschel zur Ehre! "

Urania-Tempel und Sternwarte

Schon 1788 hatte Schroeter in ungefähr 70 Schritt vom Hauptobservatorium entfernt eine zweite Beobachtungsstätte eingerichtet, einen hölzernen achteckigen Bau, welcher den Namen "Urania-Tempel" erhielt.
Darin war auf einem festen Stativ der alte, aber zu Kontrollzwecken immer noch eingesetzte 3füßige Dolland aufgestellt.
In der eigentlichen Sternwarte waren jetzt untergebracht:
Im Untergeschoß und hinausschiebbar auf eine freie Terrasse, der siebenfüßige "Herschel" und der 13-füßige "Schrader". Im oberen Stockwerk unter verschiebbaren Dachklappen der vierfüßige "Herschel" und der siebenfüßige "Schrader". Die Türen waren bei beiden Eingängen aus Glas und die Wände mit Sternkarten und eigenen Zeichnungen geschmückt. Auf Regalen befand sich eine umfangreiche astronomische Bibliothek. Außerdem verfügte Schroeter zu der Zeit über mehrere selbstgefertigte Himmelsgloben, zwei astronomische Uhren von Gretton aus London, einen einfüßigen hölzernen Quadranten, einen weiteren dreifüßigen, einen Kometensucher von Ayscough und einen dreifüßigen Azimuth-Quadranten. Natürlich war auch eine feinmechanische Werkstatt vorhanden.
Die bisherigen Beobachtungsinstrumente hielt Schroeter immer noch nicht für alle Zwecke ausreichend. Alle Forschungsergebnisse sollten noch sorgfältiger überprüft, immer heller die Abbildungen des gestirnten Himmels werden, und immer weiter wollte er in die Geheimnisse der Tiefen der Milchstraße vordringen. So plante er und baute im Laufe des Jahres 1793 ein neues, gewaltiges Instrument, das freistehende 27-füßige Lilienthalische Riesentelescop. Der verwendete Spiegel, von Schroeter und Harm Gefken gegossen und geschliffen, verfügte über eine Brennweite von 27 Fuß = 825 cm bei einem Spiegeldurchmesser von 20 Zoll = 50,80 cm. Ein gleichzeitig gefertigter zweiter Spiegel mit einer Brennweite von zunächst 25 Fuß = 762 cm und 19 1/4 Zoll = 48,9 cm Öffnung wurde anschließend auf ebenfalls 27 Fuß umgeschliffen und diente als Reserve.
Besondere Justier- und Haltevorrichtungen gestatteten ein schnelles Auswechseln, obgleich das Gewicht des Hauptspiegels bei einer Metallstärke von 6 cm einschließlich der Fassung etwa 2 Zentner betrug. Zur Erhöhung des Glanzes waren 5 kg Arsen mit verarbeitet worden. Das tragende Rohr war achtkantig und aus massivem, ca. 3 cm dickem Tannenholz hergestellt worden. Zur Erzielung einer absoluten Wetterfestigkeit war alles mit Schutzöl getränkt. Besondere Verstrebungen machten es absolut steif und unbiegsam. Es wog im ganzen 1400 Pfund.
Ein bewegliches Drehgestell mit einem Beobachtungskabinett und Platz für mehrere Personen, die sogenannte Galerie, umlief einen absolut waagerechten Kreis von 21 Metern Durchmesser. Alles war befestigt über einem aus starkem ausgemauerten Eichenholz errichteten, 3,50 m breiten und 6,20 m hohen viereckigem Turm mit 2 Stockwerken. Das Telescop selbst war am unteren Ende durch Flaschenzüge in jede Neigung zu bringen. Alles konnte mit Hilfe des durch einen Menschen leicht verschiebbaren Wagens auf alle Himmelspunkte eingestellt werden. Das Telescop war zur Verminderung der Wärmeaufnahme weiß gestrichen, alles übrige dunkelbraun. Zwei Sucher standen zur Verfügung: 1. Brennweite 30,48 cm mit 4 Grad Weitwinkelbildfeld. 2. Ein Chapmann-Sucher, Brennweite 91,44 cm und 6,35 cm Objektivdurchmesser. Vergrößerungswert 13 fach. Das Gesamtgewicht der Anlage schätzte Schroeter auf 400 Zentner = 20 Tonnen. Die ersten Beobachtungen wurden am 5. und 23. Dezember 1793 durchgeführt und bestätigten voll seine hohen Erwartungen. Die endgültige Fertigstellung erfolgte am 1. März 1794. Der jährlich erscheinende und weitverbreitete Bremer Staatskalender für das Jahr 1794 erläuterte unter dem Stichwort "Schöne Gegenden" dann auch schon an zweiter Stelle nach Oberneuland:
b. Lilienthal: "Eine Stunde weiter über die Wümme, wo man außer den lieblichen Spaziergängen im Walde, die große Buche mit 21 Fuß Umfang, auch des Herrn Oberamtmann Schroeter neu erbautes Observatorium mit dem einzig in Deutschland, von ihm selbst verfertigten 27-füßigen Telescop bewundern kann!"
Schroeter war mit seiner Arbeit sehr zufrieden, es war ein Meisterwerk geworden. Kein Wunder, daß jetzt viele prominente Staatsbeamte, Forscher und Astronomen, aber auch Militärs aller Armeen nach Lilienthal zur Besichtigung und auch zum Mitbeobachten kamen. Schroeters Ruhm verbreitete sich schnell. Das neue Instrument wurde besonders für Beobachtungen der Nachtseite des Mondes, zur Erforschung der Sterne in den Tiefen der Milchstraße, zur Registrierung von Nebeln und Sternhaufen sowie für Planetenbeobachtungen am hellen Tage eingesetzt.
Neue Spezialokulare, die in ihrer Pupille das gesamte Licht des 50-cm-Spiegels durchlassen mußten, lieferten Vergrößerungen mit 360-, 300-, 270-, 183- und 179-fachen Werten. Letztere bei einem Bildfeld von 15 Bogenminuten.
Für höhere Vergrößerungen benutzte Schroeter die anderen Telescope, bei diesem neuen kam es ihm auf die hohe Lichtstärke an. Besonders gute Erfahrungen machte Schroeter mit der sogenannten "Front-View-Beobachtung'. Hierbei fiel der Fangspiegel im Strahlengang des Reflektors weg. Wenn der Spiegel durch seine besonderen Justiereinrichtungen um ein winziges Stück geneigt wurde, trat das gesammelte Lichtstrahlenbündel im Brennpunkt vorn an der Seite der Rohröffnung aus und wurde hier direkt im Beobachtungsokular gesammelt. Eine Abschattung des Lichtes durch den Betrachter trat somit nicht ein. Herschel hatte Schroeter auf diese Beobachtungsmethode, welche nach übereinstimmenden Erfahrungen der beiden Astronomen etwa die vierfache Lichtmenge lieferte, hingewiesen.
Da man die Qualität der in anderen optischen Werkstätten hergestellten Beobachtungsinstrumente in Lilienthal sehr genau beachtete. bezog Schroeter im August 1795 das stärkste zur damaligen Zeit angebotene Linsenfernrohr: einen 10-füßigen achromatischen Dolland mit 3 9/10-Zoll-Öffnung = 304,8 cm Brennweite und 10,0 cm Linsendurchmesser. Die beigefügten Okulare lieferten Vergrößerungen von 100-, 104-, 117-, 121-, 126-, 200-, 221-, 240- und 247-fachen Werten. Sie waren auf Wunsch Schroeters den vorhandenen Größen der anderen Telescope angepaßt worden.
Zusätzlich stand ein Okular mit Fadenkreuz und 90-facher Vergrößerung zur Verfügung. Die Ergebnisse waren zufriedenstellend, obgleich Schroeter sich in Zweifelsfällen doch weiterhin auf seine sehr viel helleren eigenen Geräte verließ. Zu diesem Dollond wurde später noch eine parallaktische Nachführung beschafft.
Die Aufstellung erfolgte im Urania-Tempel und machte diesen so zu einer hochwertigen Station für einen zweiten Beobachter.
An dieser Stelle ist es sicherlich sinnvoll, einige Hinweise auf die Qualität der in Lilienthal benutzten Instrumente zu geben. Schroeter, der über eine ganz hervorragende Sehschärfe verfügte, war in bezug auf die Leistung seiner Telescope ganz besonders kritisch und hatte wie kaum jemand anders durch die Vielzahl seiner Geräte Gelegenheit, die Bildschärfen zu vergleichen. Insbesondere war er nicht, wie die Astronomen in anderen Observatorien, darauf angewiesen, die Fernrohre, sowie sie aus der Hand der Hersteller kamen, als genau anzunehmen. Er überprüfte ständig alles und war selbst in der Lage, optische Fehler durch Nacharbeiten zu beseitigen. Hinweise auf die Bildleistung gibt es in seinen Schriften viele. Es sei hier erwähnt, daß es ihm bei einem Versuch gelang, eine ihm unbekannte Schrift in der Höhe einer Dezimallinie = 2,5 mm mit nur 95-facher Vergrößerung aus einer Entfernung von 1500 calenbergischen Fuß = 438,14 m noch einwandfrei zu lesen und bei ruhiger Luft sogar noch den Punkt auf einem "i" erkannte. Diese Werte entsprechen einem Auflösungsvermögen von etwa 800 Linien pro Millimeter Bildfeld.
Bei Beobachtungen der Mondoberfläche konnte Schroeter noch Objekte mit einer Ausdehnung von 500 Metern ausmachen und bestimmte durch die Auswertung von Schattenlängen noch Erhebungen bis auf eine Grenze von 100 Metern herunter.
1802 wurde unter den Beobachtungen notiert, daß die Parallaxe der nächsten in unserem Sonnensystem gelegenen Fixsterne bei Werten unter 0,75 Bogensekunden anzusetzen sei. Diese nur mit hochwertigen Geräten möglichen Messungen kamen damit den erst sehr viel später ermittelten tatsächlichen Werten schon sehr nahe. Bei Planeten- und Sternenbedeckungen durch den Mond wurden Zeiten in Sekundenbruchteilen bestimmt. Die Projektionsbilder der Okulare lieferten auf eigens dafür konstruierten Scheiben Durchmesserwerte in Hundertstelteilen von Bogensekunden.
1796 wurde in Lilienthal ein weiteres nicht stationäres Telescop eigener Fertigung mit 20 Fuß = 6,10 m Brennweite aufgestellt. Es war jedoch zu umständlich zu handhaben und der Spiegel wurde daher später umgeschliffen.
1796 wurden die "Aphroditographischen Fragmente" über die Venus herausgegeben, 1800 die "Hermographischen Fragmente" über den Merkur und 1802 der zweite Teil des großen Mondwerkes.
Im Jahre 1799 war auch für Schroeter und seine Sternwarte der Tag gekommen, wo die Kosten für neue Instrumente, deren Unterhaltung sowie die Herausgabe von Veröffentlichungen nicht mehr mit den Einnahmen aus der Stelle als Oberamtmann bestritten werden konnten. Durch Vermittlung eines Freundes in London bot er daher Anfang 1799 die gesamte bis dahin angeschaffte Ausrüstung seiner Observatorien dem wissenschaftsfreundlichen hannoversch-englischen König Georg III. zum Kauf an.
Der gewünschte Vertrag kam im April auch zustande und sah vor, daß Schroeter für die staatliche Übernahme seiner Instrumente einen Betrag von 1200 englischen Guineas (1260 Pfund), entsprechend 7615 Reichsthalern = 305000 DM, in bar ausgezahlt erhielt. Dazu jährlich noch eine Rente von 300 Thalern sowie einen weiteren Betrag von 200 Thalern p.a. = 8000 DM zur Bezahlung eines Sternwarte-Inspektors bei zu gewährender freier Kost und freiem Logis. Die Nutzung der Instrumente sollte bei Schroeter bis zu seinem Lebensende verbleiben. Danach war dann alles, was zur Zeit des Vertragsabschlusses vorhanden war, an die Georgia-Augusta-Universität Göttingen zu überführen.
Schroeter war erleichtert.

Karl-Ludwig Harding

Die Inspektorenstelle erhielt Karl-Ludwig Harding, welcher seit dem 31. Juli 1796 aus Interesse an der Astronomie und zur Erziehung des Schroeterschen Sohnes Johann Friedrich in Lilienthal weilte und bis dahin von Schroeter besoldet wurde. Zur Sicherstellung der Versorgung seiner Familie erwarb der Oberamtmann in der von ihm 1800 in seiner Eigenschaft als hannoverscher Moorkommissar gegründeten Kolonie Adolphsdorf die Hofstelle Nummer 1 und bebaute diese mit Wirtschaftsgebäuden und einer Mühle.
In der Zwischenzeit hatte sich als besonders intelligent und einfallsreich Harm Gefken, Schroeters ehemaliger Gärtner, erwiesen. Die bei Prof. Schrader erworbenen Kenntnisse im Spiegelgießen und -schleifen führten zur Gründung einer Lilienthaler optischen Werkstatt zur Herstellung von Spiegeltelescopen mit 4, 7, 10, 12 und 15 Fuß Brennweite mit den auch von Schroeter benutzten Spiegeldurchmessern.
Interessant ist ein Blick in Gefkens Preisliste von 1810.
Angeboten wird darin ein siebenfüßiges Instrument mit 6,5 Zoll Öffnung und 214 cm Brennweite mit Gestell und dem ganzen Apparat:
Rohr, achtkantig, aus Eichenholz 280 Thaler = 11 243 DM
Rohr, mit Mahagoniholz überlegt 300 Thaler = 12046 DM
Rohr aus massivem Mahagoniholz 320 Thaler = 12850 DM
Leider verstarb Harm Gefken schon am 27. September 1811 im Alter von nur 55 Jahren, ohne Zweifel als Opfer seines selbstgewählten neuen Berufes. Der Umgang mit dem hochgiftigen Arsen bei der Spiegelfertigung dürfte auf die Dauer tödlich gewesen sein.
Am 4. April 1803 ergänzte Schroeter die Sternwarte noch mit einem siebenfüßigen "Gefken" von 214 cm Brennweite. Im Jahr 1805 wurde ein weiterer Reflektor mit 15 Fuß und 1 2 Zoll Öffnung mit 457,2 cm Brennweite bei 30,48 cm Spiegeldurchmesser angeschafft.
Dieser "Gefken", aus dem umgeschliffenen alten 20-Füßer von 1796 hergestellt, war ein Meisterwerk und galt von da ab als das schärfste Instrument auf der Lilienthaler Sternwarte.
Es vertrug, wie durchgeführte kritische Testuntersuchungen ergaben, die Anwendung von Vergrößerungen bis zum 2000-fachen Wert. Von der optischen Anstalt Fraunhofer in Benediktbeuren bei München wurden im Jahr 1806 zwei achromatische Linsenfemrohre mit 3 Fuß = 91,44 cm und 13 Fuß = 369,3 cm Brennweite beschafft.
Die Leistung des letzteren entsprach jedoch nicht den Erwartungen, und so machte sich Schroeter im Winter 1806/07 daran, im Amtsgarten ein zweites frei stehendes Großinstrument zu errichten. Der Spiegel, von Gefken, hatte bei einer Brennweite von 20 Fuß = 610 cm eine freie Öffnung von einem englischen Fuß = 12 Zoll = 30,48 cm. Das erstellte Gerüst basierte auf einer neuen Konstruktionsidee, lief auf einem Drehkreis von 12 Meter Durchmesser auf einer Schiene und konnte vom Beobachter selbst ohne die Mithilfe einer zweiten Person eingerichtet werden.
Ein von Schroeter angefertigter Bauplan verbrannte später, weitere Daten konnten daher nicht ermittelt werden.
Mit allen diesen hervorragenden Instrumenten, verteilt auf vier Observatorien, war die Lilienthaler Sternwarte ohne Zweifel die bestausgerüstete der damaligen Welt. Prominente Astronomen und Mathematiker wie Gauß, Olbers, von Zach und andere bedienten sich ihrer Forschungsergebnisse.
Als Schroeter im Jahre 1810 65 Jahre alt wurde, unterlag er der Zwangspensionierung durch die neue französische Verwaltung. Bezüge wurden nicht mehr gezahlt, die zugesagten Vergütungen aus England für den Verkauf der Instrumente waren infolge der Kriegswirren auch schon seit 1806 ausgeblieben. Forschungen, insbesondere Planetenbeobachtungen, wurden aber weiterhin betrieben.

Lilienthal brennt

Am 21. April 1813 wurde die Ortschaft Lilienthal im Rahmen einer Strafexpedition während der Befreiungskriege von französischen Truppen niedergebrannt. Schroeter verlor sein gesamtes Hab und Gut. Am schlimmsten empfand er den Verlust des ganzen Vorrates seiner astronomischen Werke beim Brand seiner Wohnung im Amtshaus.
Die große Unkenntnis über die Forschungsergebnisse Schroeters ist hierin zu suchen, da von seinen Schriften zu wenige erhalten geblieben sind. Die Würdigung, er sei der fleißigste Beobachter in der Geschichte der Astronomie gewesen und als Vater der Planetenkunde anzusehen, besteht wohl zu Recht.
Die Sternwarte und ihre Einrichtung blieben vom Brand verschont, wenn auch erhebliche Schäden durch Plünderung festzustellen waren. Ein französischer Offizier entführte den dreifüßigen Dollond nach Bremen. Durch Vermittlung von Olbers gelangte Schroeter aber wieder in dessen Besitz.
Die Organisation des Wiederaufbaues der Gemeinde Lilienthal und die Verteilung der aus aller Welt eintreffenden Hilfen nahmen den im November 1813 in seine Ämter wiedereingesetzten Schroeter voll in Anspruch. Als sich sein Gesundheitszustand verschlechterte, entschloß er sich, schon im Jahr 1815 die bis 1799 beschafften Instrumente vertragsgemäß, aber schon vorab, nach Göttingen zu schaffen.

Schroeters Tod

Am 29. August 1816, zwei Stunden vor Vollendung seines 71. Lebensjahres, verstarb der Astronom, Oberamtmann und Justizrath Dr. Johann Hieronymus Schroeter, Ritter des königlichen Guelphen-Ordens (Welfen-Ordens), und wurde am 6. September im Familiengrab an der Westseite der Klosterkirche in Lilienthal beigesetzt. Ein für den Fortschritt der Wissenschaft erfülltes Leben war zu Ende gegangen.
Wenige Tage später traf noch von Fraunhofer aus München ein ganz neues Linsentelescop ein; Schroeter hatte es noch ein halbes Jahr zuvor bestellt. 6 Fuß = 182,9 cm Brennweite und 4 2/3 Zoll = 11,85 cm Öffnung waren die Daten dieses, wie Harding später ausführte, ganz hervorragenden neuen Instrumentes. Es verblieb bis 1850 im Besitz der Familie Schroeter.
Die Gebäude der Sternwarte verfielen; sie waren abhängig gewesen vom Leben und von der Tatkraft eines einzelnen Menschen. Mit dem Tode von Schroeters Sohn, der ohne astronomische Interessen als hannoverscher Verwaltungsbeamter nach Nienburg gezogen war, wurden im Jahre 1850 die letzten Gebäudereste abgerissen.

Marskanäle

In Fachkreisen kam 1881 das Wirken Schroeters noch einmal groß ins Gespräch. Die Universität Leiden/Südholland hatte sein bis dahin unveröffentlichtes Werk, die "Aerographischen Beiträge zur genaueren Kenntnis des Planeten Mars", aufgekauft und den für die Herausgabe notwendigen Druck besorgt.
Es stellte sich heraus, daß die zu der Zeit überall im Gespräch befindlichen sogenannten "Marskanäle" von Schroeter schon lange vorher in den bis zum Jahr 1803 abgeschlossenen Beobachtungen des Planeten Mars erkannt und untersucht worden waren. Er hatte sie als optische Täuschung der unruhigen Atmosphäre und nicht als Bestandteil der Oberfläche des Planeten ausgemacht. Mit einer Geschwindigkeit von 3 bis 8 m pro Sekunde eilten diese der Rotation des Mars vor.

Heimatstube Lilienthal

Im Herbst 1982 reiste ich von Lilienthal zum Museum der alten Göttinger Sternwarte. Ich wollte den Verbleib der 1816 nach dort überführten Instrumente Schroeters ermitteln. Ich fand in alten Inventurverzeichnissen Eintragungen des Eingangs. Wichtigstes Ergebnis aber war die Feststellung, daß der von Schroeter so sehr geschätzte siebenfüßige "Herschel" von 1786 einschließlich Gestell und Spiegel (allerdings ausgebaut) noch vollständig vorhanden ist. Die Herkunft von Herschel ist dort bekannt, daß dieser Schroeters Instrument gewesen ist, dagegen nicht. Ferner sind noch vorhanden: der dreifüßige Dolland, ein einfüßiger Quadrant, ein Satz Okulare und der Spiegel des 13-füßigen "Schrader". Die Spiegel des großen 27-füßigen Instrumentes wurden schon vor 1890 verkauft, weitere Teile an andere Museen verschenkt.

In Lilienthal wird das Andenken an Schroeter in der "Heimatstube" wachgehalten. Ein hervorragendes Modell der großen Sternwarte von 1793 ist dort ausgestellt. Die Wilhelm-Förster-Sternwarte in Berlin stellte einen nach Schroeters Rezepten neugegossenen Metallspiegel zur Verfügung.
Dem Heimatverein Lilienthal, der über die Originalausgaben der beiden Schroeterschen Mondwerke sowie über die wertvollen "Aphroditographischen Fragmente über die Venus" verfügt, danke ich für die bereitwillige Überlassung zur Erstellung dieser Unterlagen.

aus:
Dieter Gerdes, von Johann Hieronymus Schroeter und den Instrumenten seiner Sternwarte, Nachrichten der Olbers-Gesellschaft Nr. 130, 22. Juli 1984

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